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Sport 2000 Putz

2023-07-22
www.hofburg.at

"War Mozart normal? Sicher nicht!"

Meine Damen und Her­ren, ich freue mich sehr, heute hier ste­hen zu kön­nen. Die Bre­gen­zer Fest­spie­le sind eine wun­der­ba­re ös­ter­rei­chi­sche In­sti­tu­ti­on. Und glau­ben Sie mir, ich würde gerne nur dar­über spre­chen, was un­se­re Hei­mat so schön macht - die Bre­gen­zer Fest­spie­le ge­hö­ren zwei­fel­los dazu - aber es ist wie­der ein­mal Zeit, auch an­zu­spre­chen, was an­ge­spro­chen wer­den muss.

Es scheint so, als ob sich man­che Dinge in un­se­rem Land nicht in die rich­ti­ge Rich­tung ent­wi­ckeln, ob­wohl wir vor gro­ßen Auf­ga­ben und Her­aus­for­de­run­gen ste­hen. Sie ken­nen viel­leicht die "Theo­rie der zer­bro­che­nen Fens­ter"? Das ist eine US-ame­ri­ka­ni­sche So­zi­al­theo­rie aus den frü­hen 1980er-Jah­ren, die im We­sent­li­chen be­sagt, dass dann, wenn in einem Stadt­teil eine zer­bro­che­ne Schei­be nicht um­ge­hend re­pa­riert und wie­der ein­ge­setzt wird, schnell alle Fens­ter­schei­ben zer­bro­chen sind. Weil dann der Ein­druck ent­steht, es ist eh allen wurscht, was da pas­siert, es küm­mert sich nie­mand um die­sen Stadt­teil, was dann wie­der­um äu­ßerst schnell zu Van­da­lis­mus und Ver­fall führt. Ein klei­ner An­lass, der über­se­hen oder über­gan­gen und nicht kor­ri­giert wird, kann schnell als Frei­brief ver­stan­den wer­den, mehr und mehr zu zer­stö­ren.

Warum ich diese Theo­rie er­wäh­ne? Weil in un­se­rem Land ge­ra­de ei­ni­ge Fens­ter zer­bro­chen wer­den. Daran soll­ten wir uns nicht ge­wöh­nen. Fan­gen wir bei der Spra­che an. Spra­che wird wie­der zum Aus­gren­zen ver­wen­det. Wir dür­fen uns nicht daran ge­wöh­nen, dass wie­der von einem "wir" und "den an­de­ren" ge­spro­chen wird. Wir, das sind die "nor­ma­len", das sind "un­se­re Leute", das ist "das Volk". Wer oder was sind dann "die an­de­ren"? Das Volk, sind das alle Ös­ter­rei­che­rin­nen und Ös­ter­rei­cher? Die Ein­woh­ner an­de­rer Her­kunft, sind das "die an­de­ren"? Wer sind "un­se­re Leut"? Sind uns "die an­de­ren" dann egal? Wer sagt, wer da­zu­ge­hört und wer nicht? Wer be­stimmt, wer "nor­mal" ist und wer nicht? War Mo­zart "nor­mal"? Si­cher nicht! Men­schen mit der­art au­ßer­ge­wöhn­li­chen Be­ga­bun­gen sind nicht "nor­mal". Und sie den­ken auch nicht "nor­mal", sonst wären sie nicht so au­ßer­ge­wöhn­lich. Das Glei­che gilt für Maria Lass­nig in der Ma­le­rei oder für Al­bert Ein­stein und Anton Zei­lin­ger in der Phy­sik. Es ist ge­fähr­lich, sol­che Be­grif­fe so ab­so­lut zu ver­wen­den, denn sie wer­den sehr schnell ge­dan­ken­los wie­der­ge­ge­ben und tra­gen so mehr und mehr zum Zer­bre­chen un­se­rer Ge­mein­schaft bei. Und diese Zi­ta­te wer­den nicht nur von den üb­li­chen Ver­däch­ti­gen ver­wen­det. Es scheint so, als wür­den sich ver­schie­de­ne Par­tei­en mitt­ler­wei­le ein Vor­bild an­ein­an­der neh­men.

Ich fühle mich manch­mal wie im Hoch­wahl­kampf. Kein schö­nes Ge­fühl. Man­che po­li­ti­schen Ak­teu­re, so scheint es, haben die Hoff­nung ver­lo­ren, dass man mit sach­be­zo­ge­nen Ar­gu­men­ten und in­halt­li­chen Kon­zep­ten durch­kommt. Dass man mit Ernst­haf­tig­keit ernst ge­nom­men wird. Weil sie lie­ber an die Wirk­sam­keit von Po­pu­lis­mus glau­ben. Aber Po­pu­lis­mus ist nicht daran in­ter­es­siert, Lö­sun­gen zu fin­den. Po­pu­lis­mus will tren­nen, will aus­gren­zen. "Die da oben" - "wir da unten". Po­pu­lis­mus will Pro­ble­me fin­den und ver­grö­ßern. Und er will, dass sie blei­ben. Weil diese Pro­ble­me den Po­pu­lis­ten dabei hel­fen, Emo­tio­nen zu schü­ren und, so die Hoff­nung, Wah­len zu ge­win­nen. Ich ap­pel­lie­re an alle im po­li­ti­schen Stadt­vier­tel, um auf das Ein­gangs­bei­spiel zu­rück­zu­kom­men: Hören Sie auf damit, mehr und mehr Fens­ter zu zer­bre­chen. Hören Sie auf mit dem Ab­len­kungs­kampf um Be­griff­lich­kei­ten und Deu­tungs­ho­hei­ten. Kämp­fen Sie lie­ber um die bes­ten Lö­sun­gen. Und kämp­fen Sie darum, diese Lö­sun­gen den Men­schen dann auch so zu ver­mit­teln, dass sie ver­ste­hen, was ihr per­sön­li­cher Nut­zen ist.

Es gibt so viele The­men, die dis­ku­tiert und ge­löst und ver­mit­telt wer­den müs­sen. Wie kön­nen wir un­se­ren Wohl­stand aus­bau­en und dabei Klima und Um­welt be­rück­sich­ti­gen? Kann es so etwas wie eine "Kli­ma­so­zia­le Markt­wirt­schaft" geben und wie sieht sie aus? Wie schaf­fen wir wie­der mehr so­zia­len Zu­sam­men­halt? Die Men­schen müs­sen gut und gerne mit­ein­an­der leben kön­nen und wol­len.

Wie schaf­fen wir ein So­zi­al­sys­tem, das für Zu­frie­den­heit sorgt und echte Armut ver­hin­dert? Wir haben ein gutes Sys­tem und trotz­dem tun sich ge­schätz­te 200.000 Per­so­nen echt schwer, über die Run­den zu kom­men. Wie bil­den wir un­se­re Kin­der, wie ver­mit­teln wir ihnen den Glau­ben, dass ihre Leis­tung, ihr Bei­trag zur Ge­sell­schaft, einen Un­ter­schied macht und ge­braucht und ge­wollt ist? Junge Men­schen geben in Be­fra­gun­gen an, dass sie sich in un­se­rer Ge­sell­schaft ein­sam füh­len. Wie gehen wir damit um? Wie lösen wir das? Si­cher nicht mit Po­pu­lis­mus. Si­cher nicht mit Ge­re­de von "wir" und "die an­de­ren".

Wie fin­det Ös­ter­reich sei­nen Platz in Eu­ro­pa, und wie fin­det Eu­ro­pa sei­nen Platz in der Welt? Diese The­men müs­sen an­ge­gan­gen wer­den, glaub­haft an­ge­gan­gen wer­den. Und das ist nur die Spit­ze des Eis­ber­ges.

Meine Damen und Her­ren, ich glau­be an un­se­re li­be­ra­le De­mo­kra­tie. Ich weiß, dass wir die Lö­sun­gen haben. Aber sie wer­den teil­wei­se dif­fa­miert. Das ist die Art des Po­pu­lis­mus. Po­pu­lis­mus holt nicht das Beste aus den Men­schen her­vor, son­dern das Nied­rigs­te. Das Tren­nen­de, Aus­gren­zen­de. Po­pu­lis­mus rich­tet den Schein­wer­fer dar­auf, was nicht funk­tio­niert. Aber es gibt so vie­les, das funk­tio­niert.

Über­le­gen wir doch ein­mal, ganz ego­is­tisch: What's in it for me? Was ist für mich drin­nen im Kli­ma­schutz, bei­spiels­wei­se? Man kann Um­welt­schutz und Kli­ma­schutz auch als ego­is­ti­schen Vor­gang in­ter­pre­tie­ren. Wir brau­chen doch in­tak­te Natur für uns, nicht nur für die Eis­bä­ren. Und weil wir Tou­ris­ten wol­len. Weil wir es lie­ben, gute Gast­ge­ber zu sein.

Was ist drin für uns in der li­be­ra­len De­mo­kra­tie? Sie re­gelt unser Zu­sam­men­le­ben. Sie re­gelt, dass die Mehr­hei­ten be­stim­men und dabei die Min­der­hei­ten ge­ach­tet wer­den. Sie lässt uns in Frei­heit leben, so wie wir sind und sein wol­len. Das ist nicht selbst­ver­ständ­lich. Wir müs­sen auf die li­be­ra­le De­mo­kra­tie ach­ten und in ihr die kon­struk­ti­ve Kri­tik und den kon­struk­ti­ven Streit pfle­gen, sonst steu­ern wir auf eine Au­to­kra­tie zu. Wir kön­nen wei­ter im Osten be­ob­ach­ten, dass das re­la­tiv rasch geht, in­ner­halb von 20 Jah­ren. Eine Au­to­kra­tie, in der es nur denen gut geht, die zum "wir" ge­hö­ren, und es denen schlecht geht, die zu "den an­de­ren" ge­hö­ren. Li­be­ra­le De­mo­kra­tie ge­hört allen. Nicht nur den Po­pu­lis­ten. Nicht nur den so­ge­nann­ten Eli­ten. Nie nur einer Grup­pe. Li­be­ra­le De­mo­kra­tie ge­hört allen.

Was ist drin für uns in der Mi­gra­ti­on? Wir ste­hen vor einer mas­si­ven Her­aus­for­de­rung für das gute Leben in un­se­rer Hei­mat, es gibt einen mas­si­ven Fach­kräf­te­man­gel in Ös­ter­reich. Wir be­nö­ti­gen Zehn­tau­sen­de Men­schen im Ge­sund­heits­be­reich, im Pfle­ge­be­reich, in der In­fra­struk­tur für Kin­der­be­treu­ung, in In­dus­trie und Ge­wer­be. Im­mi­gra­ti­on al­lein wird diese Pro­ble­me nicht lösen. Aber kommt unser Land ohne Mi­gra­ti­on aus? Sind wir dann nicht in noch schwie­ri­ge­ren Zu­stän­den? Und um­ge­kehrt kann unser Land mas­siv pro­fi­tie­ren von Mi­gra­ti­on. So wie es in der Ver­gan­gen­heit schon oft der Fall war.

Was ist drin für uns in der In­te­gra­ti­on? Wir haben uns die Men­schen­rech­te hart er­kämpft. Und mit ihnen gehen auch Men­schen­pflich­ten ein­her. Auch diese sind zu ach­ten. Men­schen, die zu uns kom­men und dies ak­zep­tie­ren, wer­den davon pro­fi­tie­ren. Davon, un­se­re Spra­che zu ler­nen. Von un­se­ren Ge­bräu­chen und Sit­ten. Von der ab­so­lu­ten Gleich­be­rech­ti­gung von Frau­en und Män­nern, die wir noch immer nicht er­reicht haben, aber nach der wir stre­ben. Von un­se­rer Of­fen­heit se­xu­el­ler Ori­en­tie­rung ge­gen­über. Wir kön­nen hier in Frei­heit und Gleich­be­rech­ti­gung und Re­spekt leben, in ge­gen­sei­ti­ger Of­fen­heit. Das ist für jeden und von jedem, der in un­se­re Ge­sell­schaft kommt, an­zu­er­ken­nen. Und jede und jeder, der dies tut, wird davon pro­fi­tie­ren.

Las­sen Sie uns über die Her­aus­for­de­run­gen reden. Las­sen Sie uns das lö­sungs­ori­en­tiert tun. Las­sen Sie uns ruhig strei­ten, aber mit Sach­ar­gu­men­ten. Kon­struk­tiv strei­ten. Brin­gen wir das Beste in uns und an Ös­ter­reich zum Vor­schein und nicht das Nied­rigs­te. Las­sen Sie uns daran glau­ben, dass wir durch alle Her­aus­for­de­run­gen kom­men, wenn wir nicht auf­ge­ben.

Ich schlie­ße wie ein Pfar­rer: Es gibt das Gute, das Schö­ne, das Ge­mein­sa­me. Und die Bre­gen­zer Fest­spie­le zei­gen das. Ich er­klä­re sie hier­mit für er­öff­net.




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Bergsteigerdorf Mauthen, 2025-04-25
Weitwandern in den Südalpen: Karnischer Höhenweg • KHW 403
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